Reinraumtechnik: Strömungsformen, Partikelgrößen und Reinheitsklassen

Partikelgrößen, Reinheitsklassen und Strömungsformen turbulenzarme Verdrängungsströmung sowie turbulente Verdünnungsströmung im Reinraum

Reinraumtechnik

In der Norm DIN EN ISO 14644-1:2016-06 [1] ist ein Reinraum definiert als

„Raum, in dem die Anzahlkonzentration luftgetragener Partikel geregelt und klassifiziert wird und der zur Regelung der Einschleppung, Entstehung und Ablagerung von Partikeln im Raum entsprechend konstruktiv geplant, baulich ausgeführt und betrieben wird“.

Reinraumtechnische Anlagen werden dabei insbesondere bei der Herstellung von Massenprodukten eingesetzt, bei denen eine Verunreinigung des Produktes mit Partikeln oder eine Gefährdung des Personals durch Gefahrenstoffe vermieden werden müssen (Produkt- und Personenschutz). Die klassischen Gebiete der Reinraumtechnik umfassen die pharmazeutische Industrie, die Mikroelektronik,
die Optik, die Feinmechanik und die Medizintechnik. Auch Lebensmittel werden zunehmend in reinen Umgebungen erzeugt und verpackt.

Normen und Richtlinien

Die Reinraumtechnik ist geprägt von Normen und Richtlinien. In der ausbeutegetriebenen Halbleiterindustrie dominiert die internationale Normenreihe DIN EN ISO 14644, in Deutschland ist zusätzlich die Richtlinienreihe VDI 2083 relevant. In der regulatorisch getriebenen pharmazeutischen Industrie kommt der Leitfaden der guten Herstellungspraxis (EU-GMP) zur Anwendung.

Strömungsformen im Reinraum

Um Schadstofflasten aus dem Raum oder dem lokalen Schutzbereich abzuführen, bzw. um einen Schutzbereich gegen den Eintrag von Partikeln aus seiner Umgebung zu sichern, wird Lüftungstechnik eingesetzt. In Reinräumen kommen drei Strömungsformen, dargestellt in Abbildung 1, zum Einsatz: Verdrängungsströmung, Mischströmung und eine hybride Kombination der beiden.
In der Reinraumbranche haben sich abweichende Bezeichnungen etabliert [1]: Turbulenzarme Verdrängungsströmung (TAV), Turbulente Verdünnungsströmung (TVS) und Mischlüftung (ML).

Strömungsformen im Reinraum
Abbildung 1: Strömungsformen im Reinraum

Partikelgrößen

In der Reinraumtechnik sind Partikel im Mikrometerbereich relevant. Um ein Gefühl der Größenordnungen zu bekommen zeigt Abbildung 2 einen Vergleich zwischen der Größenordnung eines menschlichen Haars (rund 70 bis 100 μm), der Grenze des sichtbaren Bereichs für das menschliche Auge (rund 50 μm) und der Größenordnung von relevanten Partikeln in der Reinraumtechnik (rund 0,5 μm).

Größenordnung von Aerosolen
Abbildung 2: Partikelgrößenvergleich

Abbildung 3 zeigt die stationäre Geschwindigkeit von Partikeln im Mikrometerbereich, die sich aufgrund der Oberflächen- und Volumenkräfte einstelt, die auf das Partikel wirken. Mikrometerpartikel <10 μm) bilden aufgrund der angreifenden Kräfte eine Geschwindigkeit <0,003 m/s aus. Im Vergleich dazu ist die Größenordnung der Strömungsgeschwindigkeit in Innenräumen mit rund 0,2 bis 0,45 m/s um den Faktor 100 größer. Die Partikel werden von der Luftströmung mitgetragen und deshalb als luftgetragene Schwebstoffe bezeichnet.

Das heterogene Gemisch aus Schwebstoffen und Luft bezeichnet man als Aerosol.

Stationäre Partikelbewegung
Abbildung 3: Stationäre Partikelbewegung von Aerosolen durch Sedimentation und Brown'scher Molekularbewegung

Reinheitsklassen

In Abhängigkeit der Partikelkonzentration luftgetragener Partikel im Arbeitsbereich werden Reinräume einer ISO-Klasse nach DIN EN ISO 14644-1 zugeordnet.

Gleichung (1) drückt den Zusammenhang zwischen der maximal zulässigen Partikelkonzentration in 1/m³ C_n, der ISO-Klassifizierungszahl von 1 bis 9 N und dem betrachteten Partikeldurchmesser in μm) D aus. Abbildung 4 veranschaulicht die Gleichung grafisch.

C_n=10^N \cdot \left( \frac{0,1}{D} \right)^{2,08} (1)

Reinheitsklassen im Reinraum
Abbildung 4: Reinheitsklassen im Reinraum

Literatur

[1] DIN EN ISO 14644-1:2016-06. Reinräume und zugehörige Reinraumbereiche – Teil 1: Klassifizierung der Luftreinheit anhand der Partikelkonzentration. Beuth Verlag, 2016.